Montag, 2. April 2007

Initiative gegen den Vorschlag der Minister Goll und Mackenroth

Mit dem folgenden Aufruf protestieren Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer an den juristischen Fakultäten und Fachbereichen gegen das "Stuttgarter Modell" zu einer Reform der Juristenausbildung:


Nein zum Ende der wissenschaftlichen Juristenausbildung!

Am 2. April 2007 sind die Justizminister von Baden-Württemberg, Prof. Dr. Ulrich Goll, und Sachsen, Geert Mackenroth, mit einem Vorschlag zur Reform der zuletzt 2002 grundlegend umgestellten Juristenausbildung und zur Anpassung des rechtswissenschaftlichen Studiums an das BA/MA Modell an die Öffentlichkeit getreten. Nach dem Ministervorschlag soll die juristische Ausbildung künftig aus einem sechssemestrigen Bachelorstudium (abgeschlossen durch eine Universitätsprüfung) und einem Masterstudium von vier Semestern bestehen. An der Masterprüfung soll der Staat beteiligt sein. In das Masterstudium sollen Praxiselemente integriert sein. Der juristische Vorbereitungsdienst entfällt. Der Masterabschluss wird – anders als bisher das zweite juristische Staatsexamen – nicht mehr unmittelbar die Befähigung zum Richteramt und den Zugang zur Anwaltschaft gewähren.

Die Unterzeichner dieses Aufrufs lehnen den Vorschlag der Minister Goll und Mackenroth ab. Von den vorgeschlagenen Veränderungen droht schwerer Schaden für die Rechtskultur und für die Qualität von Rechtspflege und Rechtsberatung in Deutschland.
  1. Wissenschaftlichkeit und Praxisorientierung der deutschen Juristenausbildung gehen verloren. Die verkürzte Ausbildung lässt künftigen Studierenden weder genügend Zeit für die wissenschaftliche Vertiefung ihrer Rechtskenntnisse noch für deren praktische Anwendung. Insbesondere kann das nach 2002 eingeführte Schwerpunktstudium, das gerade von den ersten Studierenden abgeschlossen wird, weder in dem kurzen Bachelorstudium einen Platz finden noch im Masterstudium, das dem Erwerb praktischer Kenntnisse dienen soll. Das Ziel der vorigen Reform, im Studium die Gelegenheit zur intensiven Auseinandersetzung mit einem Rechtsgebiet oder mit den Grundlagen der Rechtsordnung zu geben, wischen die Minister achtlos beiseite.
  2. Das Erfolgsmodell „Einheitsjurist" wird abgeschafft. Die Qualität des bewährten deutschen Ausbildungsmodells lässt sich an den Berufschancen guter Absolventinnen und Absolventen auf dem nationalen und dem internationalen Arbeitsmarkt und an den Erfolgen junger deutscher Juristinnen und Juristen in ausländischen Studiengängen messen. Am Ende des Masterstudiums nach dem Ministervorschlag steht keine wirkliche Berufsqualifikation. Einige wenige „Masters" werden über zusätzliche Ausbildungsstationen Zugang zur Anwaltschaft oder zur Justiz finden. Für sie wird sich die Ausbildungszeit gegenüber dem bisherigen Modell verlängern. Für den großen Rest der Absolventinnen und Absolventen wird sich ihre Ausbildung als unbrauchbare Halbbildung erweisen.

Der Vorschlag der Minister Goll und Mackenroth zerstört die Grundlagen der bewährten deutschen Juristenausbildung. Er darf nicht verwirklicht werden!

Wenn Sie sich dem Aufruf anschließen wollen, wenden Sie sich bitte an Prof. Dr. Thomas Finkenauer, Tübingen [finkenauer (at) jura.uni-tuebingen.de] oder Prof. Dr. Thomas Rüfner [ruefner (at) uni-trier.de] oder senden Sie ein Fax an 07071/29-51 00.

4 Kommentare:

JJ hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
JJ hat gesagt…

Danke für das Engagement!!!

Es ist erstaunlich, wie die Minister Goll und Mackenroth sich noch vor eineinhalb Jahren in der Justizministerkonferenz mit dem (insoweit richtigen) Hauptargument gegen Bologna äußerten, dass ein nur dreijähriger Bachelor-Abschluss das Niveau der Absolventen im Vergleich zum heutigen Studium senke, und nun genau das fordern: Einen nur dreijährigen Bachelor, mit dem ca. 60% der Absolventen in die Arbeitswelt entlassen werden.

Die Gründe sind vor allem fiskalisch, es sollen die Kosten für Staatsexamnina und Referendariat komplett eingespart werden - und das in einem Studiengang, der wohl zu den günstigsten überhaupt zählt und zugleich die Basis für den Rechtsstaat sichert, in dem wir leben.

Der Vorschlag missversteht leider auch, was Bologna bezweckt. Das gestufte Studium ist keine Fachausbildung zum Rechtsanwalt oder Richter, sondern ein wissenschaftliches Studium in zwei Teilen, von dem der zweite der Spezialisierung dienen soll und nur den besseren offen steht.

Ein allgemeiner, für den Volljuristen verpflichtender Rechtspflegemaster mit Praxiselementen, wie er nun vorgeschlagen wird, ist genau das Gegenteil von fachlicher Spezialsierung, wissenschaftlicher Freiheit und internationaler Ausrichtung.

Man muss vor allem unterscheiden zwischen dem wissenschaftlichem Studium, das den Juristen auch für andere Berufe als den Anwalt oder Richter qualifiziert (genannt seien nur die Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Manager in allen Bereichen der Wirtschaft, Unternehmer, Journalisten, sogar Politiker ...), und der Zugangsvoraussetzung zu den reglementierten juristischen Berufe. Bisher war beides eins, aber wirklich überzeugend war das eigentlich nie.

Das eine ersetzt nämlich nicht das andere, sondern beides steht neben- bzw. hintereinander. So wenig, wie es bisher schlüssig war, dass auch der Jura studierende angehende Journalist oder Investment-Banker zwingend ein Staatsexamen machen sollte, so wenig ist es schlüssig, dass der angehende Richter oder Rechtsanwalt in Zukunft gar keines mehr ablegen soll.

Dass man dennoch alles unter einen Hut bringen kann, eine anspruchsvolle wissenschaftliche Grundausbildung, die zudem über den fachlichen Tellerrand blickt (Bachelor, 4 Jahre!), eine hochklassige Spezialisierungsphase, die man auch im Ausland verbringen kann (Master, 1 Jahr!), ein (!)umfassendes Staatsexamen für den Einheitsjuristen zur Qualitätssicherung beim Zugang zu den reglementierten juristischen Berufen und ein (einjähriges!) Referendariat mit großer Wahlfreiheit, um auch das nötige Praxiswissen vermittelt zu bekommen - ohne wegen eines folgenden zweiten Staatsexamens auf "Tauchstation" gehen zu müssen. Das ist der Kern des 4-Stufen-Modells, das in Zusammenarbeit mit Vertretern aller juristischen Berufe und Fachrichtungen entwickelt wurde.

Was heute Wahlschwerpunkt ist, wäre danach Masterstudium. Ein Master wäre aber kein Pflichtprogramm für alle Volljuristens. Warum auch? Der Einheitsjurist muss sich nicht spezialisiert haben, soll er doch alles können und überall einsetzbar sein.

Mehr zum 4-Stufen-Modell und vor allem - anders als bei Goll und Mackenroth - viele Einzelheiten unter:

www.neue-juristenausbildung.de

und erstmals bereits in NJW, 2005, 2283.

Es wäre schön, wenn sich alle Betroffenen über die Ziele einer guten Juristenausbildung verständigen könnten und dann gemeinsan den besten Weg suchen, anstatt jeweils nur Partikularinteressen zu verfolgen und mit "Stuttgarter Modellen" vorzupreschen, über die man dann außer einer kurzen Presseerklärung auch auf Nachfrage nichts genaues erfährt.

Was leicht als selbstverständlich angesehen und daher vergessen wird: Wir leben in einem Rechtsstaat. Die juristische Ausbildung ist daher mehr als nur irgendein Studienfach. Sie sollte mit der gebührenden Sorgfalt reformiert werden. Die Hauptziele dürfen nur Qualität und Erhöhung der Berufschancen der Absolventen lauten, nicht jedoch Kosteneinsparung um jeden Preis.

Dr. Jens Jeep, Notar
www.notariat-rathausmarkt.de

Anonym hat gesagt…

Die Fachschaften der Universitäten Heidelberg, Freiburg und Tübingen danken den Frauen Professorinnen und Herren Professoren sowie allen anderen, die sich dem Kampf für den Erhalt des qualitativ hochwertigen Jurastudiums in Deutschland angeschlossen haben, für die Initiative und ihr Engagement!

Auch wir haben uns mit der folgenden Presseerklärung gegen die Äußerungen der Landesjustizminister gewandt. Denn uns – die Studierenden – betrifft es ja in erster Linie.

Robi Chattopadhyay
Jurastudent in Tübingen,
Mitglied der Unabhängigen Liste Fachschaft Jura (ULF) und des Fakultätsrates
www.jura.uni-tuebingen.de/ulf


Bachelor/Master-Studiengang in Jura als Chance für Studierende?


Nachdem die 2005 diskutierte Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen für das Jurastudium im sog. Bologna-Prozess auf Bundesebene durch die Koalitionsvereinbarung von CDU, CSU und SPD gestoppt wurde, nehmen Baden-Württemberg und Sachsen dieses Vorhaben nun wieder auf. Die damaligen Bedenken seitens der Studierenden sind jedoch keineswegs ausgeräumt. Aus diesem Grund nehmen die Fachschaften Jura der Universitäten Heidelberg, Freiburg und Tübingen Stellung zur Erklärung der Justizminister der Länder Baden-Württemberg und Sachsen Ulrich Goll und Geert Mackenroth vom Montag.
Die neue Studienstruktur sieht eine Abschaffung des 2jährigen juristischen Vorbereitungsdienstes vor. Stattdessen soll die praktische Erfahrung während der Vorbereitung auf den Master gesammelt werden. Dies führt zu einer radikalen Reduzierung der Zeit, welche für die Praxis aufgewendet werden kann, sowie zu einem beschränkteren Einblick in das spätere Berufsfeld der Absolventen. Bei einem Einstieg in die berufliche Tätigkeit als Bachelor fehlt der Praxisbezug sogar völlig. Die verantwortungsvolle juristische Tätigkeit würde hierdurch in die Hände von praktisch unerfahrenen Absolventen gelegt; es würde jegliche Fähigkeit zur Anwendung der Theorie im juristischen Beruf fehlen. Beim Master würde sie nur unzureichend vermittelt. Dies gilt umso mehr, da die Praxiserfahrung schon jetzt kaum ausreicht, um den Bedürfnissen des späteren Berufslebens gerecht zu werden. Einerseits betonen die Justizminister zwar, dass mit dem Bachelor ein erster berufsqualifizierender Abschluss erlangt wird, andererseits soll aber selbst an den Master noch eine "Berufseinarbeitung" angeschlossen werden, die erst zur selbständigen Berufsausübung berechtigt. Da stellt sich die Frage, ob die gesetzten Ziele so wirklich erreicht werden können:
Ein Ziel des Bologna-Prozesses ist die Verkürzung der Studienzeit. Um das Vorhaben zu erreichen, wäre eine Verringerung der zu vermittelnden Stoffmenge unumgänglich. So müssten entweder einzelne Teilgebiete des Rechts gänzlich aus dem Studienplan herausgenommen oder die Ausbildung auf die elementaren Grundlagen beschränkt werden. Beides hätte eine mangelhafte fachliche Kompetenz zur Folge und würde im ersten Fall einen zufriedenstellenden Überblick über die deutsche Rechtsordnung verhindern. Der gute Ruf deutscher Juristen würde geschmälert. Gerade die breite Ausbildung der Juristen in Deutschland gewährleistet, dass sie sich leicht in neue Rechtsgebiete einarbeiten können, wie es von den Ministern gewünscht ist. Es ist sehr fraglich, ob die Verkürzung tatsächlich die Ausbildung verkürzt: Regelstudienzeit sind derzeit acht Semester, mit Referendariat sind es sechseinhalb Jahre (ein Semester für das erste Staatsexamen). Nach dem neuen Modell dauert die universitäre Ausbildung fünf Jahre, zu dem noch die berufsqualifizierende „Berufseinführung“ kommt.
Auch würde die neue Studienstruktur die jüngst eingeführten Schwerpunktbereiche während der Juristenausbildung zeitlich unmöglich machen. Diese stellen jedoch eine wichtige Möglichkeit dar, vertiefte Kenntnisse in Spezialgebieten zu erlangen.
Weiter soll ein bereits nach drei Jahren verliehener Bachelor zu einem berufsqualifizierenden Abschluss führen, dessen Berufsbild nicht feststeht. Da nur 20-30% eines Jahrgangs zum Masterstudium zugelassen werden sollen, wird die Mehrheit der Studierenden die Universitäten mit einem Bachelor verlassen und auf dem derzeit angespannten Arbeitsmarkt einer mehr als ungewissen Zukunft entgegen sehen.
Auch sollen „Gelegenheitsjuristen“ vom Studium abgehalten werden, damit sie nicht nach zehn Semestern und zwei nicht bestandenen Examensversuchen mit der Qualifikation „Abitur und Führerschein“ enden. Doch dieses Ziel lässt sich auch anders erreichen: Eine frühere Überprüfung der universitären Leistungen ist auch anders als im Bachelor/Mastersystem möglich, nämlich. durch eine genauere Kontrolle der Zwischenprüfung. Im Tübingen wurde sie gerade verschärft.
Ein weiterer Grund ist: Geld. Die Einsparungen beim Referendariat könnten der Verbesserung der Qualität der universitären Ausbildung zu Gute kommen. Dass jedoch eingespartes Geld eben das nicht bewirkt, merkt man zB daran, dass zur Studiengebühreneinführung die staatlichen Mittel zurückgefahren wurden.
Das Ersetzen der Juristischen Staatsprüfung durch eine universitäre Prüfung, wie es die Reform vorsieht, führt nun zu einer geringeren Vergleichbarkeit auf Landes- und Bundesebene. Die nationale Mobilität deutscher Jura-Absolventen wäre zerstört. Außerdem besteht die Gefahr, dass die Studenten sich dann wesentlich mehr als bisher einen Ihnen geeignet erscheinenden Examensort aussuchen und so die Kluft im Ruf zwischen den einzelnen Ausbildungsstätten wächst. Eine Akkreditierung der einzelnen Studiengänge durch zertifizierte Agenturen kann dies nicht ausgleichen. Einheitliche Standards für eine Akkreditierung sind weder gewollt noch verfügbar. Bundesweit unterschiedlich qualifizierte Juristen gefährdeten aber aufgrund ihrer qualitativ unterschiedlichen Ausbildung eine geordnete Rechtspflege.
Die Notwendigkeit, am jetzigen System festzuhalten ist sehr wohl erkennbar, die Augen werden nur im Interesse einer größtmöglichen internationalen Gleichschaltung davor verschlossen, obwohl dies im Hinblick auf die unterschiedlichen Rechtssysteme gar nicht indem Maße erreichbar ist. Alles in allem überwiegen beim sog. Bologna-Prozess die Nachteile für die Studierenden und den Arbeitsmarkt. Er ist somit nicht als Chance zu begreifen, sondern als Verschlechterung des Studiums. Daher fordern wir, ihn in Baden-Württemberg nicht auf das Jurastudium auszudehnen.

Robi Chattopadhyay/ Susanne Heiß/ Marc Fuchs

Anonym hat gesagt…

Der Bologna-Prozess ist zukunfts- und richtungsweisend, an alten Zöpfen festzuhalten falsch. Deutschland darf sich dem nicht verschließen, Zahlen und Fakten widerlegen große Teile ihrer Ausführungen.International gesehen ist der Vorschlag angebracht, da genau dieser Weg in anderen Ländern zum Volljuristen führt.
Bemerkenswert ist der Vorschlag des sog. "vier Stufen Modells" von Dr. Jens Jeep.
MfG