Der nachfolgende Leserbrief von Herrn Prof. Dr. Rainer Zaczyk, Direktor des rechtsphilosophischen Seminars der Universität Bonn, ist gestern (23. April 2007) in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen:
Dem Artikel „Rechtsreferendariat abschaffen“ (FAZ vom 03.04.2007) ist zu entnehmen, dass die Justizminister Sachsens und Baden-Württembergs, Mackenroth und Goll, sich dafür einsetzen, nach wenigen Jahren schon wieder die Juristenausbildung zu reformieren. Noch bedeutsamer als die Frage nach der Existenzberechtigung des Referendariats sind dabei die Vorstellungen über die Gestalt des Studiums selbst. Denn hier soll nach Ansicht der beiden Minister das Bachelor-Master-System auch in der Rechtswissenschaft eingeführt werden. Bisher waren Medizin und Jura die beiden Wissenschaften, die man mit gutem Grund von diesem Verdummungsprozess freihalten wollte. Aber – so die beiden Justizminister –: „Der Bologna-Prozess kann nicht aufgehalten werden.“ Das erinnert mich immer an Erich Honeckers goldenen Satz: „Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf.“ Nun soll ja der Bologna-Prozess gerade nicht aufgehalten werden, Mackenroth und Goll wollen ihn vielmehr befördern. Ob sie eine Vorstellung davon haben, was sie damit der Rechtswissenschaft, dem Recht in einem Staat und den Studierenden dieses Fachs antun? Die Bachelors des Rechts, mikrowellenartig erhitzte Viertelsjuristen, die man nach sechs Semestern aus der Universität jagt, werden ein pseudo-akademisches Proletariat darstellen, das, mangels jeglicher fundierter Ausbildung, niemand brauchen kann: ihm steht, wenn es mit dem Job in der Gerichtskantine nichts wird, nur noch eine Karriere in einer der politischen Parteien offen. Wer würde im Ernst – um es an dem anderen Fach zu demonstrieren – seine Gesundheit einem Bachelor-Mediziner anvertrauen, der die Nieren im Halswirbelbereich sucht? Die Master-Phase, in der gewissermaßen „richtig“ Wissenschaft betrieben werden soll, wird dann besiedelt von „Fortgeschrittenen“, die durch die unaufhebbare Seichtigkeit der Anfangsphase jedes selbständigen Denkens entwöhnt sind. Ein Wort dabei noch zur angeblichen „Richterausbildung“ der Juristen, eine immer wieder gern repetierte Phrase. Sie ist allein schon deshalb irrig, weil die Universitätsausbildung (nicht: Fachhochschulausbildung) eben keine Berufsausbildung ist. Zusätzlich irrig ist die Phrase aber ferner, weil die Perspektive des Richters die Perspektive des Rechts selbst ist; kein Anwalt, kein Verwaltungsbeamter, kein Wirtschaftsjurist kann in seiner Arbeit auf diese Qualität fachlichen Wissens verzichten. Geschädigt wird durch das Bachelor-Master-System daher der Rechtsstaat selbst. Die Folgen einer schlechten Juristenausbildung haben langfristig alle zu tragen – zu allererst aber die Studierenden, die um die intellektuell besten Jahre ihres Lebens betrogen werden.
Mackenroth und Goll wissen nicht, was sie tun. Das verbindet sie mit Wissenschaftspolitikern außerhalb und – besonders schlimm – innerhalb der Universitäten, die mit Beharrlichkeit die Substanz der deutschen Universität dauerhaft beschädigen und mit hohlem Exzellenzgetrommel den von ihnen selbst bewirkten Niedergang dieser einstmals in der ganzen Welt angesehenen Institution auf lächerliche Weise zu übertönen suchen.